rechtliche Grundlagen: Unterstützung und Fremdbestimmung in psychiatrischen Ausnahmesituationen

Angst und Wirklichkeit

Immer noch kursieren Vorstellungen über die Psychiatrie, wie wir sie aus Filmen aus den 1960er Jahren (zB “einer Flog über das Kuckucksnest" © United Artists, 1975kennen. Immer noch fürchten sich Menschen, die noch nie in einer Psychiatrie waren, gegen ihren Willen behandelt zu werden.

Doch heute gibt es strenge und klare Auflagen und Bedingungen, die erfüllt und durch Gerichte geprüft werden müssen, bevor jemand gegen seinen Willen behandelt werden darf.

Ziel moderner Ansätze ist jedoch immer Kooperation und Freiwilligkeit. Betroffene sollen unterstützt und befähigt werden, eigenständig und autonom gute Entscheidungen treffen zu können.

Lediglich bei akuter Fremd- und/oder Selbstgefährdung kann unter Anordnung eines Gerichts gegen den Willen behandelt werden. Ebenso im Falle von Straftaten, die in einer psychischen Ausnahmesituation verübt werden.

Doch was bedeutet das konkret?

Ab wann greifen Zwangsmaßnahmen oder wie "verrückt" ist noch normal?

“verrückt" ist, wie das Wort  schon sagt, jemand der ver-rückt ist, also etwas aus der Mitte ist, also abweichend ist. Das ist zunächst weder krank noch verboten.

Würde also jemand, mit einem Hühnerkostüm verkleidet, regelmäßig zum Supermarkt gehen, sich 10 halbe Hähnchen kaufen und diese in einen Kinderwagen setzen, um die Hähnchen dann spazieren zu fahren und ihnen dabei Schlaflieder zu singen, wäre das im Rahmen der persönlichen Freiheit erlaubt, solange keine Ruhestörung oder eine ähnliche Ordnungswidrigkeit zum Tragen käme.  

Die Erklärung ist einfach:

  1. Niemand kommt dabei zu Schaden
  2. Halbe Hähnchen sind tot und daher vor dem Gesetz eine Sache, wie ein Teddybär
Es bleibt also zum aktuellen Zeitpunkt ein sehr ungewöhnlicher Freizeitvertreib, ist aber weder Krank noch Verboten.

gesetzliche Betreuung: Wenn Betroffene nicht mehr in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen

Voraussetzung:
Eine Person ist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, für die eigenen Finanzen, Gesundheit oder behördlichen Angelegenheiten ausreichend gut für sich selbst zu sorgen.
Beispiel:
Jemand ist davon überzeugt, er / sie könne die Welt retten, wenn er / sie sämtliche Absatzschuhe besitzt, die es derzeit zu kaufen gibt und dabei sein Geld in einer Art dafür verwendet, dass Lebensmittel, Miete, etc. nicht mehr bezahlt werden können. Hier würde ein Betreuer die finanzielle Sorge übernehmen und dem entsprechenden Gelder zu teilen und ggf. die Bestellungen und Käufe wieder rückabwickeln, da die Person nicht alleine geschäftsfähig ist. Dennoch könnte der Betroffene über Geld verfügen und dies im Rahmen dessen, was machbar ist, im eigenen ermessen ausgeben.
Ziel:
Ähnlich wie bei Kindern/Jugendlichen, die noch nicht voll geschäftsfähig sind, geht es darum, den Betroffenen dabei zu unterstützen, seine Angelegenheiten nach seinem Willen zu regeln und ihn oder sie vor Schaden zu bewahren.
Ablauf:
Eine gesetzl. Betreuung kann per Antrag beim Betreuungsgericht beantragt werden. Dies führt zu einer fachlichen Begutachtung und einem Gespräch mit der betroffenen Person. Wenn die betroffene Person selbst nicht zustimmt, sind die Hürden deutlich höher. Der Betroffene kann selbst einen Betreuer vorschlagen, alternativ bestimmt das Betreuungsgericht einen Betreuer. Dieser kann auf Wunsch des Betroffenen aber auch gewechselt werden, sofern die ausgewählte Person geeignet ist.
Eine Betreuung umfasst entweder eines oder mehrere Themen:
  • Gesundheit
  • behördliche Angelegenheiten
  • Finanzen
Ende:

Eine Betreuung kann beendet werden, wenn die notwendig entfällt. D.h. der Betroffene kann wieder selbstständig seine Angelegenheiten regeln.

Unterbringung nach PsychHG: Wenn Betroffene aufgrund von psychischen Ausnahmezuständen selbst- oder fremdgefährdend agieren

Voraussetzung:
Eine Person bringt sich oder andere aufgrund eines psychischen Ausnahmezustandes in erhebliche Gefahr, ist jedoch nicht einsichtig und nicht bereit diese Handlungen zu unterlassen.
Beispiel:
Jemand glaubt, Gott oder Stimmen haben ihm befohlen, sich zum Zeichen der Demut nackt auf die Fahrbahn zu legen und dort um solange um Vergebung zu bitten, bis Jesus zurückkehrt.
Ziel:
Abwehr einer akuten Gefahr für sich oder andere
Ablauf:
In der Regel wird die Polizei verständigt, welche dann zunächst für die Sicherheit aller Beteiligten sorgt und später mit Hilfe eines Amtsarztes und des Gerichts, welche prüfen, ob eine Unterbringungen gegen den Willen des Betroffenen in einer psychiatrischen Klinik notwendig erscheint.
Ende:
Eine Unterbringung ist meist auf einen kurzen Zeitraum (14 Tage) angelegt und kann früher beendet werden, wenn der Betroffene wieder Entscheidungsfähig ist und sich von solchen Handlungen distanzieren kann.

Forensik/Maßregelvollzug: Der Betroffene hat eine Straftat verübt, war aber zum Zeitpunkt der Tat schuldunfähig aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung

Voraussetzung:
Eine Person begeht aufgrund eines psychischen Ausnahmezustandes eine Straftat.
Beispiel:
Jemand glaubt, seine Mutter sei durch ein außerirdisches Reptilienwesen ausgetauscht worden und dieses sendet heimlich tödliche Strahlen aus, der Betroffene tötet die Mutter, weil er glaubt, so die Welt retten zu können.
Ziel:
Schutz der Gesellschaft, Behandlung der Ursache der Tat
Ablauf:
In der Regel wird im Rahmen der Ermittlungen/Verhandlung geprüft, ob die Person zum Tatzeitpunkt  schuldfähig war. Ist dies nicht der Fall, kommt die Person nicht in eine Haftanstalt sondern in eine forensische Klinik (“Klinik hinter Gittern"). Im Unterschied zur Haft ist hier die Behandlung durch Psychiater und Therapeuten im Vordergrund, da die Person im gesunden Zustand andere Entscheidungen hätte treffen können und so die Tat nicht verübt hätte.
Ende:

Unbestimmt. Die Unterbringung endet erst, wenn keine Gefahr mehr von der Person zu erwarten ist. Zumeist ist dies deutlich länger als eine Haftstrafe.

In der Tabelle unten eine kurze Übersicht, über die unterschiedlichen rechtlichen Bereiche und deren Zielsetzungen, wenn Betroffene nicht mehr in der Lage sind gute eigene Entscheidungen zu treffen, akute Gefahr abgewendet werden muss oder Straftaten begangen wurden.

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