wie sinnvoll sind KiTas für Kleinkinder unter 3 Jahren?

Die Politik streitet derzeit über KiTa-Plätze und Betreuungsgeld. Leider wird in dieser Diskussion einiges in einen Topf geworfen. Eigentlich geht es hier um völlig verschiedene Punkte:

Welches Rollen / Familienbild ist in unserer Zeit eigentlich adäquat?
Wie kann unsere Gesellschaft Familienarbeit und Erwerbsarbeit sinnvoll in Einklang bringen?
Welche Risiken und/oder Vorteile entstehen für die eigentlichen Betroffenen, die Kinder?

Die ersten beiden Fragen möchte ich gerne der Politik überlassen. Was allerdings die direkten Auswirkungen auf die Kinder betrifft, so halte ich es für sinnvoll, den aktuellen Stand der Wissenschaft mit in die Diskussion zu bringen.

Die amerikanische Langzeitstudie, zumeist als NICHD-Studie bezeichnet, kommt in der Untersuchung von Januar 2006 zu folgendem Schluss:

children in higher quality non-maternal child care had somewhat better language and cognitive development during the first 41⁄2 years of life. they were also somewhat more cooperative than those who experienced lower quality care during the first 3 years of life.
children with higher quantity (total combined number of hours) of experience in non-maternal child care showed somewhat more behavior problems in child care and in kindergarten classrooms than those who had experienced fewer hours.
children who attended child care centers had somewhat better cognitive and language development, but also showed somewhat more behavior problems in child care and in kindergarten classrooms than children who experienced other non-maternal child care arrangements.

Was soviel heißt wie:

Bei guter KiTa Qualität ist sprachliche und kognitive Entwicklung der KiTa Kinder deutlich besser
je höher die KiTa Qualität und je kürzer die Fremdbetreuung, desto weniger Verhaltensauffälligkeiten bei den Kindern.

Wobei man nicht verschweigen darf, dass die Bindungsqualität von Kindern und Eltern einen noch viel größeren Einfluss auf die Verhaltensauffälligkeiten der Kinder hat.

Was hat es mit den Verhaltensauffälligkeiten auf sich?
Hierzu schreiben Böhm et. al. „Unbenommen ist, dass sich chronischer Stress durch Trennungen u.a. in subtilen Verhaltens- und Gemütsveränderungen äußern kann. Wenn für Säuglinge und Kleinkinder keine (subjektiv empfundene) Bezugsperson erreichbar ist, laufen sie Gefahr, Symptome einer Beeinträchtigung der sozial-emotionalen Entwicklung zu zeigen. Sie können sich in Regulationsstörungen, Zurückgezogenheit und mangelnder Interaktion im Sinne einer depressiven Entwicklung oder Übererregbarkeit und Hyperaktivität zeigen. Regulationsstörungen beziehen sich auf den Wach-Schlaf-Rhythmus, die Nahrungsaufnahme, die soziale Interaktion, die Stressmodulation und den Umgang mit negativen Emotionen. Die Erkennung und richtige Bewertung derartiger Verhaltenszustände ist eine der verantwortungsvollsten Aufgaben von Krippenerziehern, die besondere Qualifikationen erfordert.“
Was macht nun eine gute KiTa aus?

In Ihrem ausführlichen Positionspapier stellen Böhm et. al eine umfangreiche Liste auf. Ich möchte an dieser Stelle nur 3 wesentliche Punkte herausstellen:

der Betreuungsschlüssel
Das Personal
die Räumlichkeiten

Warum genau diese drei? Da in unserer Gesellschaft in der Regel immer die Finanzierbarkeit die letzte Frage ist und diese 3 Punkte wohl auch die kostenintensiven sind.

1. Betreuungsschlüssel
Gerade die Altersklasse der unter 3 Jährigen ist besonders betreuungsintensiv da hier neben der normalen Versorgung und Aufsicht besondere Nähebedürfnisse der Kinder berücksichtigt werden müssen.

Daher ist die aktuelle Empfehlung folgende:

für Säuglinge von 9 bis 12 Monaten: 1 Betreuerin für maximal 2 Kinder
für Kinder von 12 bis 24 Monaten: 1 Betreuerin für maximal 3 Kinder
für Kinder von 24 bis 36 Monaten: 1 Betreuerin für maximal 4 Kinder

2. Raum
Pro Gruppe sollte je ein Haupt- und ein Nebenraum zur Verfügung stehen sowie ein zusätzlicher Schlafraum. Als Anhaltspunkt für den Flächenbedarf gilt eine Mindestgröße von 6 m2 pro Kind unter drei Jahren. (Dies dient u.a. auch dem Schutz vor Infektionskrankheiten, die sich auf engem Raum deutlich eher ausbreiten)

3. Personal
Gut und speziell für diese Altersklasse ausgebildete ErzieherInnen, die vor allem in festen Gruppen arbeiten, so dass die Kinder feste sekundär Bezugspersonen haben, sind eine wesentliche Voraussetzung für eine gute KiTa Qualität. Eine Gruppe sollte von dauerhaft von mind. 2 ErzieherInnen betreut werden.

Fazit:
Die KiTa ist nicht nur eine Notwendigkeit des familiären Broterwerbs in unserer heutigen Gesellschaft. Sie kann auch eine interessante und sinnvolle Entwicklungsumgebung für Kleinkinder sein. Damit dies gelingt ist eine besondere Achtsamkeit der Eltern und aller anderen Beteiligten nötig. Ein enger und konstruktiver Dialog zwischen Eltern und Erziehern eine absolute Notwendigkeit, um frühzeitig Probleme zu erkennen und gemeinsam zu lösen. Die Politik ist gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Eltern ausreichend Flexibilität zugesteht, um im Bedarfsfall zeitnah und individuell auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen.

Quellen:

Böhm R, et. al,, Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) zu Qualitätskriterien institutioneller Betreuung von Kindern unter 3 Jahren (Krippen) (retrieved Nov, 12, 2012 from http://www.kindergartenpaedagogik.de/1897.html )

Hoppe-Graf, S. (2008). Pädagogische Psychologie: Übersicht und ausgewählte Themen. In D. G. Myers, Psychologie (2., erweiterte u. aktualisierte Aufl.) (S. 878 – 879). Heidelberg: Springer

National Institute of Child Health and Human Development, Findings for Children up to Age 41⁄2 Years (retrived Nov. 12, 2012 http://www.nichd.nih.gov/publications/pubs/upload/seccyd_051206.pdf

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